Stiftssenior Dingelstädt über die Stiftskirche im 18.Jahrhundert:
„Sie ist nach alter Art in der Gestalt eines Kreuzes gebaut, bis unter das Ziegeldach von Steinen aufgeführet, und es fehlt ihr nur an einem rechten Turme, inmassen derselbe, da er vorher an der Abendseite der Kirche gestanden, hernach auf deren Giebelmauer gebracht worden. Darinnen hangen vier Glocken mit einer Schlageuhr, die Mauern der Kirche haben viele Veränderungen erlitten, wie solches an den veränderten Fenstern zu ersehen. Man geht in das sogenannte Schiff der Kirche etliche Stufen hinunter, und zum hohen Chore gehen etliche Stufen und dann zum hohen Altar noch etliche hinauf. In der Kirche befinden sich zehen gemauerte Pfeiler. Der obere Boden des Schiffes, wie auch zum Teil über dem hohen Chor, ist mit Brettern zugemacht, das übrige aber gewölbet, wie denn auch am hohen Chore noch drei kleine Gewölber sind, die vor alters zu Capellen dienten…An Altären befinden sich itzo noch fünf darinnen, welche alle besonderen Heiligen gewidmet gewesen, worunter der hohe Altar der heiligen Maria zugeeignet worden, wie aus dem daran gemahlten Bilde abzunehmen…Das Schiff der Kirche ist mit den Gräbern der Decanorum und Kanonikorum angefüllet, die in habitu Clericali womit sie begraben werden, auf den Leichsteinen abgebildet sind…Im hohen Chore ist nur das Grabmal des Stifters Graf Luther des zweiten zu erkennen…Vor diesem ist die Kirche, nach einem alten Inventario, mit vielem Geräthe an Messgewanden, Altar-Bekleidungen, Leuchtern etc. versehen gewesen, jetzo ist , ausser vorgedachten Leuchter nichts mehr da. (“Parisius/Brinkmann nach Dingelstädt S.172/173)
Vom Leben im Walbecker Stift
„Nur Kleriker konnten aufgenommen werden. Die untere Altersgrenze betrug 18 Jahre. Die jüngeren Stiftsherren, die das kanonische Alter noch nicht erreicht hatten, mußten sich später die Priesterweihe erteilen lassen. Als Tracht war ein schwarzer Talar, darüber ein weißes Hemd, die Alba, dazu ein schwarzes Barett vorgeschrieben. Im Winter wurde über dem Talar ein den Kopf und die Schultern bis zum Ellenbogen bedeckender Pelzüber-wurf getragen. Das Leben der Stiftsherren war durch strenge Vorschriften geregelt. An jedem Tage hatten sie sich siebenmal zu gottesdienstlichen Uebungen in der Kirche einzufinden….
Die Teilnahme an den Gottesdiensten war Pflicht; mußte ein Kanoniker verreisen, so hatte er sich durch einen Vikar vertreten zu lassen. In der ältesten Zeit werden die Gottesdienste für die dem Stifte untertänige Gemeinde Walbeck in der Kirche auf dem Berge abgehalten worden sein, später erhielt der Ort ein eigenes Gotteshaus, in welchem ein jüngerer Kanoniker oder auch ein Vikar amtierte.“
„Das Stift war ursprünglich keiner Territorialherrschaft untertan, es hatte seine eigene Gerichtsbarkeit. Es ist aber begreiflich, daß es durch seine enge Verbindung mit dem Halberstädter Domkapitel in eine starke Abhängigkeit von diesem kam.
Bei Rechtshändeln und bewaffneten Angriffen wurden die geistlichen Stiftungen, weil sie nicht waffenfähig waren, durch weltliche Herren, die Schutzvögte, vertreten. Schutzherren Walbecks werden zunächst die Nach-folger Lothar II. gewesen sein. Nach dem Aussterben der männlichen Linie des Grafenhauses ging das Amt auf verwandte Familien über, bis schließlich die Vogtei von dem Bischof von Halberstadt erworben wurde (Ende des 12. Jahrhunderts D. Hahne).“
(D. Heinrich Nebelsieck S.163/164)
„Auch aus Steinbrüchen (Kalk) hatte das Stift Einkünfte. Die Bewohner Walbecks hatten als Untertanen des Stiftes Erbenzins zu zahlen, Rauch-hühner zu liefern und gewisse Hand- und Spanndienste zu leisten. Die Einführung eines neuen Propstes fand – wie früher – in feierlicher Weise in der Kirche statt. Dabei mußten ihm die Walbecker als Untertanen huldigen und dem Stift Treue geloben.“
(D. Heinrich Nebelsieck S. 166)
Von 1002 bis 1009 stand Thietmar, der Enkel des Stifters und spätere Bischof von Merseburg, als Propst dem Stifte vor. Ihm verdanken wir die ältesten Nachrichten über Walbeck.